Baci e Bici...Radln in Roma

Während meiner Wohnungssuche für unser Jahr in Rom, hatte ich mir ein Rad ausgeliehen. Ein super Rad. Eine Marke aus München (bergamont) mit fantastischen Stoßdämpfern. Die sind nämlich für das entspannte Radfahren in Rom unerlässlich, weil man sonst von den römischen Pflastersteinen erbarmungslos durchgeschüttelt wird.  Da ich während der Wohnungssuche immer im gleichen Viertel unterwegs war, erwies sich das Radeln von einem Besichtungstermin zum andern als das beste und stressfreieste Fortbewegungsmittel. Denn mit dem Radel erreicht man in Rom wirklich alle Ecken in der Innenstadt und ich kenne keine bessere Methode, um eine Stadt wirklich gut kennen zu lernen und sich gut orientieren zu können.

Die sieben Hügel sind alle nicht so steil, dass man sie mit einer ordentlichen Gangschaltung nicht bezwingen könnte. Und wenn es bergab geht, macht das Gehoppel über die Sampietrinis sogar Spaß. Nach Tag zwei der Wohnungssuche hatte ich lecker abendgegessen. Der Kellern hatte anscheinend Mitleid mit einer allein essenden Frau und war beim Einschenken des Sambucas sehr, sehr grosszügig gewesen. Als ich dann leicht beschwipst die via Nazionale hinunter und die Via dei Fori Imperiali entlang radelte, war ich bei der Aussicht hier ein Jahr wohnen zu dürfen in absoluter Extase.

Ich war so begeistert von dem bici, dass ich den freundlichen Verleiher gleich fragte, ob ich, wenn ich dann im Juli nach Rom ziehen würde, eines davon gebraucht kaufen konnte. Und so kam es dann auch.

Nachdem ich mein bici hatte, war Rom mein. Ich fuhr damit Sonntags mit den Jungs über die abgesperrte via dei Fori Imperiali, war in zehn Minuten von zu Hause aus an der Piazza di Spagnia, bei Streik durchquerte ich kalt lächelnd das Verkehrschaos und sogar während des grossen Schneefalls im Februar schlitterte ich damit durch das centro storico.



Unser kleiner Francesco hat im Park hinter unserem Palazzo sogar Radlfahren gelernt.



Wenn er groß ist, kann er sich daran erinnern, dass er Radfahren mit Blick auf das Kolosseum gelernt hat. Ich bin fast ein bisschen neidisch...

Dank dem Radl habe ich viele Dinge in Rom entdeckt, die ich mit Bus, Metro oder Auto nie gesehen hätte. Einmal war Emilio auf einem Kindergeburtstag eingeladen, der in einem Tennisclub stattfand. Um da mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hin zu kommen, hätte man zwei verschiedene Busse nehmen und dann noch ein Stück zu Fuß gehen müssen. Dabei war die location gerade mal 2 Kilometer Luftlinie von zu Hause weg. So ist das halt in Rom. Die entscheidenden Hindernisse  auf dem Weg waren das Kolosseum, das Circo Massimo und die Caracalla Terme. All diese Monumente stehen halt mitten im Zentrum herum und man muss immer erst in einem weiten Bogen um sie herumfahren. Und natürlich gibt es dann noch jede Menge Einbahnstraßen...

Also, habe ich kurzentschlossen mein Kind auf den Gepäckträger gesetzt und fuhr ganz vorsichtig auf dem Gehsteig zur Caracalla Terme, durch ein Tor in der antiken römischen Stadtmauer und war da. Auf dem Rückweg habe ich gleich hinter der Terme ein Musikfestival in einer Baumschule entdeckt.





Natürlich ist Radln in Roma gefährlich. Wie überall...und ein bisschen mehr. Es gibt ungeführ 2.5 Radwege in der Stadt. Einen findet man in Testaccio, einen in Prati, einen in Parioli nahe der Villa Ada und einen im Norden entlang des Tiber. Das war's! Ich hätte sehr gerne einen auf der via del Corso, der via Nazionale, der via Cavour und über die Piazza Venezia gehabt.



Allen Befürchtungen meines heldenhaften Mannes zum Trotz ist mir allerdings nie etwas passiert. Ich habe noch nicht einmal wirklich gefährliche Situationen erlebt. Auch wenn ich gerne zugebe, dass ich schon immer Angst hatte, wenn ich in einem Rudel Autos und Bussen über die Piazza Venezia gehoppelt bin. Ich habe trotzdem dabei immer vor Aufregung und Vergnügen gequietscht.

 

In dem Jahr in Rom ist einmal ein 20-jähriges Mädel von einem Smart tot gefahren worden. Und auf der Via dei Fori Imperiali gibt es ein selbst gebasteltes Denkmal für den unbekannten gefallenen Radler:












Dieses Foto habe ich meinem heldenhaften Mann nicht gezeigt. Er hatte eh schon immer Angst, Witwer zu werden, wenn ich zum meinem Salsakurs radelte.

Der Widerstand der Radelfahrer im Untergrund formiert sich aber auch in Rom. So gibt es z.B. einmal im Monate eine Radfahrer-Demo, an der sich hunderte von Radelfahrern zusammentun und in einer Formation  die Straßen von Rom lahm legen. Das nennt sich dann "critical mass".



Diese wilde Radlermeute fährt dann auch schon mal von Rom bis nach Ostia ans Meer. Das hätte ich gerne mitgemacht.

Bei einer anderen Radl-Demo habe ich diese schöne und kämpferische Straßentapete gefunden:







Am Anfang meines Daseins als Guerillia-Radlerin in Rom stand allerdings zunächst der Kampf gegen die spießigen Nachbar (Ja, die gibt es auch in Italien!!) Da ich mein Rad und die der Kinder behalten wollte, hatten wir sie in unseren Hinterhof abgestellt. Meine liebe Nachbarin Deborah war sehr froh über unser Beispiel und stellte gleich die Fahrräder ihrer Familie dazu. Sie hatte sie bisher auf dem Balkon geparkt! Deborah kündigte mir aber auch an, dass die anderen Nachbarn, das vermutlich nicht wollten.

Es gab da schon seit Jahren eine Kleinkrieg unter den Eigentümern. Zunächst hatten alle auch im Hof ihre Vespas abgestellt und das gab einen fürchterlichen Krach und die Motorinos wurden auf die Straße verbannt. Dann gab es Streit um die Blumentöpfe im Hof, weil sich in den Untertellern das Wasser sammelt und dort die Mücken brüten. Die Blumentöpfe blieben.


Als dann unsere Räder kamen, kochte die Wut offenbar hoch.

Eines Tages als wir nichtsahnend das Haus verließen, fiel eine uns unbekannte Nachbarin geradezu über uns her. Sie wollte wissen, ob das unsere Räder wären und befahl uns, sie sofort zu entfernen. Wir müssten sie halt in die Wohnung stellen.

Wir ließen uns nicht einschüchtern, waren aber erst mal unter Schock.

Ich erkundigte mich über die Rechtslage und fand heraus, dass der Kampf um das Fahrradparkrecht im Innenhof ein in ganz Italien verbreiteter Grabenkrieg war. Von Siracusa bis Venedig stritten Nachbarn darüber und die Frage wurde meist auf der Ebene der Hausverwaltungen und Eigentümerversammlungen entschieden. Nur in Turin und in Milano gab es ein kommunales Gesetz, das ausdrücklich das Parken von Fahrrädern in Innenhöfen erlaubt.

Die meisten Wohnungen in unserem Palazzo waren ebenfalls Eigentumswohnungen und wir waren somit als Mieter schon mal in einer weniger einflussreichen Position. Zum Glück war Deborahs Familie  in der Eigentümerversammlung vertreten. Und so wussten wir, dass das Problem Radparkplatz auf der Tagesordnungsliste stand. Da es aber so viele andere Dinge zu besprechen gab, wurde das Problem nicht besprochen und wir konnten erst mal unsere Räder stehen lassen.

Und dann eines schönen Tages im Mai geschah ein Wunder: plötzlich stand ein Fahrradständer in im Hof. Irgendein Mieter hatte sie gekauft, damit die Räder nicht so unordentlich an die Wand gelehnt herum standen. Wir waren fassungslos.





Victoria! Inzwischen wurde sogar die Hausordnung geändert und es steht jetzt ausdrücklich drin, dass man Räder im Innenhof parken darf. Nach dieser Geschichte habe ich für einen kurzen Moment ernsthaft in Erwägung, in die italienische Politik zu gehen und auch den Rest des Landes positiv zu verändern. Dieser Anfall von Größenwahn dauerte aber wirklich nur einen ganz kleinen Moment.




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