Melacavo - Das italienische Prinzip des Durchwurstelns

Mein Blog heisst aus zwei Gründen "Melacavo":  
Zum einen weil mein Italienisch noch auf den Niveau des Durchwurstelns ist. Und "me la cavo" heisst einfach: Ich wurstle mich durch, ich komme so durch, je me débrouille. 
Und zweitens ist für mich das Durchwursteln zentral für die italienische Lebensweise.
Es ist bekannt, dass der Alltag in Italien beschwerlich sein kann: ein Dickicht an Bürokratie, notorisch unpünktliche Züge, trödelige Post, Verkehrschaos, Müllkatastrophe etc. In Deutschland wäre unter ähnlichen Bedingungen schon längst eine Revolution ausgebrochen. In Deutschland erkennt man ein Problem, umzingelt es theoretisch von allen Seiten und löst es. Jawohl!
In Italien hat man das aufgegeben. Man reagiert mit Gleichmut und Gelassenheit und jeder einzelne versucht ganz für sich eine individuelle Lösung. Wenn die Busse ständig streiken und man im Auto nur im Stau steht, dann fährt man eben Vespa.
Als wir in unsere Wohnung gezogen sind, meinte unsere Vermieterin: "Das Schloss der Haustür ist etwas kompliziert. Man muss den Schlüssel mit kleinen Ruckebewegungen ins Schloss stecken und dann ganz vorsichtig umdrehen. Das Schloss ist eigentlich kaputt." OK, dachten wir, klingt nach keinem grossen Problem. In der Praxis war es das schon. Wir kriegten die Tür schlicht nicht auf und an unserem ersten Abend in Rom musste Guido zu Hause bleiben, während ich mit den Jungs Pizza kaufen ging.
Am nächten Tag traf ich zum Glück an der Tür einen jungen Mann, der mir erklärte, dass man die Tür kräftig an sich heran ziehen muss. "Das Schloss ist kaputt", meinte er mit einem Schulterzucken. Bei ihm klappte es. Bei mir nicht. Selbst wenn ich mich mit meinem ganzen Gewicht an die Tür hängte. Es war zum Verzweifeln. In Deutschland oder der Schweiz wäre dieses Schloss schon lange ausgewechsel worden.
Später am Vormittag trafen wir eine ältere Dame, die uns zeigte, dass man den Schlüssen reinfummeln  und dann sofort einen Millimeter mit sehr viel Gefühl wieder herausziehen musste. Das klappte auch bei uns! Es war allerdings noch ein Gefummel und erforderte viel Geduld und Gottvertrauen. Man durfte auf keinen Fall in Eile, angetrunken oder sonst wie angeschlagen sein, um es zu schaffen. Man durfte auch keinesfalls zwischendurch die Geduld verlieren und hibbelig werden, wenn es in der ersten Minute nicht klappte. Besser war es zwischendurch Pause zu machen und ein Ave Marie zu beten.
Dann traf ich unseren direkten Nachbarn. Er zeigte mir seine Methode: Beim Umdrehen den Schlüssel nach oben drücken. Das funktionierte bei mir nicht, aber diese Methode in Kombination mit dem leichten Rausziehen klappt immer und ohne Gefummel sofort. Inzwischen können wir uns schon gar nicht mehr vorstellen, dass das mal ein Problem war.
Wir sehen also wieder: Ein kollektives Problem, jede Menge individuelle, provisorische Lösungen. Für mich ist unsere Haustür so quasi zum Symbol für das italienische Durchwurstelprinzip geworden.

Comments

  1. herzlich willkommen! ich warte mit spannung auf die kommenden durchwursteleien:) lg, nikki

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  2. Wir sind geschockt und ein wenig enttäuscht: Die Hausverwaltung hat tatsächlich das Schloss ausgewechselt! Jetzt können wir die Türe ganz undramatisch aufschliessen. Das Leben ist einfacher, aber auch ein bisschen weniger spannend. Keine individuellen Lösungsansätze mehr nötig. Vielleicht ist das ja symbolisch für das ganze Land - jetzt, wo man hoffentlich endlich Silvio B. losgeworden ist.

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