Fratelli d’Italia


 Wir hatten uns entschlossen, dass unser Kinder in die öffentliche italienische Schule gehen sollten. Damit sie den Kultur- und Sprachschock nicht erst mit voller Wucht am Schulanfang im September erleiden sollten, war ich auf die Idee gekommen, sie in römische Feriencamps zu schicken.

Ausserdem wollte ich natürlich verhindern, dass sie mich in diesen so ungewöhnlich langen Ferien wahnsinnig machen. Zweieinhalb Monate Ferien! Für die Italiener sogar 3 Monate, weil bei denen die Schulferien hier schon Mitte Juni anfangen. Ich bin sicher, dass man auch damit die extrem niedrige Geburtenrate in Italien erklären kann. Ich habe keine Ahnung, wie die Italiener (bzw. die Italienerinnen!) das machen. Ich ahne aber, dass diese Ferien auch ein Grund sind, warum wenige italienische Mamis arbeiten gehen. Ich werde das noch mal genauer herausbekommen.

Ich hatte schon von Lausanne aus drei Camps in die engere Wahl gezogen und uns sogar schon in eines eingeschrieben. Ganz modern mit Bezahlung im Internet. In unserer ersten Woche in Rom haben die Jungs dann in jedem der drei einen Probetag gemacht. Ich wollte absolut sicher sein, dass es ihnen auch gefällt. Wenn man die Sprache nicht spricht, muss man wenigstens Spass haben.

Das erste Camp fand ganz in unserer Nähe in einer katholischen Privatschule statt: Instituto Santa Maria. Wir kommen da also Montagmorgen um neun Uhr an und die Kinder müssen sich alle nach Alter in ihren Gruppen aufstellen. Dann wird erst mal gebetet. Das Ave Maria natürlich. Dann wird die Fahne gehisst. Es sind jeweils drei ausgewählte Kinder, die an der Schnur ziehen dürfen, die die Fahne nach oben zieht. 


Ich bin schon mal beeindruckt: So viel kulturelle und spirituelle Ritualeinheiten hat man selten am Montagmorgen. Und dann kommt der Höhepunkt. Aus einer rauschenden Stereoanlage wird die italienische Nationalhymne angespielt. Und dann singen die Kinder im Chor alle mit. Manche machen nur Mundbewegungen, manche wissen nur ab und zu ein Wort, aber die meistens sind mit Begeisterung dabei. Einige brüllen die Hymne eher. Am Schluss schreien alle:“SI!!“ und schmeissen ihre Kappen in die Luft.



Ich bin platt. Ich bin begeistert. Hier werden meine Kinder zu vorbildlichen Italienern inkulturiert werden. Eine meiner deutschen Freundinnen war schockiert und fand das zu nationalistisch.

Ich muss gestehen, dass ich eine heimliche Schwäche für Nationalhymnen fast aller Art habe. So ungefähr das einzige was ich von meiner Abiturfeier (laaange her) noch weiss, ist dass wir die Bayernhymne gesungen haben. Auch bei der altern Sowjetischen und der amerikanischen Nationalhymne kann ich die Tränen der Rührung nie zurückhalten. Ob sich ein Hymnenschreiber wohl hinsetzt und sich sagt: „Jetzt komponiere ich mal was, das den Menschen Gänsehaut und Krokodilstränen verschafft!“?

Wie auch immer, jetzt mussten unsere Jungs den Text lernen, damit sie angemessen mitsingen können. Und so haben wir ein wenig im Internet recherchiert.

Die italienische Nationalhymne kennt man ja sonst höchstens von Fussballspielen. Sie klingt ziemlich dramatisch und erinnert an die klassischen Kampflieder aus den Verdiopern. Man ahnt es gleich, auch ohne die Worte zu kennen, hier geht es darum für Italien zu sterben.

Hier also der Text (der1. Strophe) auf Italienisch und Deutsch:

Fratelli d'Italia,
l'Italia s'è desta,
dell'elmo di Scipio
s'è cinta la testa.
Dov'è la vittoria?
Le porga la chioma,
che schiava di Roma
Iddio la creò.

Stringiamoci a coorte,
siam pronti alla morte.
Siam pronti alla morte,
l'Italia chiamò.
Stringiamoci a coorte,
siam pronti alla morte.
Siam pronti alla morte,
l'Italia chiamò, sì!

Brüder Italiens,
Italien hat sich erhoben,
Und hat mit dem Helm des Scipio
Sich das Haupt geschmückt.
Wo ist Viktoria [die Siegesgöttin]?
Sie möge Italien ihr Haupt zuneigen,
Denn als eine Sklavin Roms
Hat Gott sie erschaffen.

Lasst uns die Reihen schließen,
Wir sind bereit zum Tod,
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen!
Lasst uns die Reihen schließen,
Wir sind bereit zum Tod,
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen!
Ja!


Wikipedia sagt folgendes zur Entstehung der Hymne:

„Der Text stammt von Goffredo Mameli (weshalb die Hymne auch als Inno di Mameli bekannt ist). Die Nationalhymne entstand, ähnlich wie in Deutschland, im Umfeld der romantischen nationalistischen Bewegungen in Italien Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Stück wurde im Herbst 1847 als Kampflied der Risorgimento-Bewegung vom patriotischen Studenten Mameli aus Genua geschrieben. Es entstand unter dem Eindruck des bevorstehenden Freiheitskrieges gegen das Kaisertum Österreich. Das komponierte Lied war dabei das Kampflied der Widerständler.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Fratelli_d%E2%80%99Italia

Da die Widerständler erfolgreich waren, wurde dann 1861 der italienische Staat gegründet. Im Rahmen der Feierlichkeiten für dieses Jubiläum hat 2011 der berühmte Komiker Roberto Begnini in San Remo über diese Hymne gesprochen. Er erzählte, dass Goffredo Mameli gerade mal 20 Jahre alt war als er den Text der Hymne schreib. Er glaubte fest an die Vereinigung Italiens. So sehr, dass er wie in seinem Lied, bereit war, für diese Sache zu sterben. Und leider ist er dann auch mit nur 23 gestorben. Er hatte sich in einer Schlacht eine Wunde zugezogen, die sich entzündete.
Roberto Begnini erzählte all das und sang dann die Hymne so wie er es sich vorstellte, dass sie diese jungen Freiheitskämpfer wohl gesungen haben. Am Abend vor der Schlacht. Mit der Angst vor dem Tod im Nacken und voller Überzeugung für die Sache. 

https://www.youtube.com/watch?v=cSARrNNa3VI 
Und plötzlich klingt diese Hymne so rein gar nicht mehr nach Hurrapatriotismus. Bravo Roberto!

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