Taxifahren in Rom


Also mit dem Vertrauen ist das so eine Sache in Italien. Grundsätzlich muss man mehr als in der Schweiz oder Deutschland darauf gefasst sein, betrogen zu werden. Andererseits würde man tolle Dinge verpassen, wenn man sich nicht auch vertrauensvoll darauf einlassen würde.
Ein Beispiel.
In unserer ersten Woche in Rom war es heiss wie in einem Backofen und ich wollte vom Colosseo zur American Academy in Rom kommen, um zu einer Veranstaltung zu gehen. Nachdem ich ca. 20 min in der prallen Hitze umsonst auf den Bus gewartet hatte, nahm ich ein Taxi. Der Taxifahrer musste erstmal rechts ran fahren, um überhaupt erst zu sehen, wo ich hin wollte. Dabei hatte ich die genaue Adresse und den Anreiseplan der atac. Er meinte, dass das aber mindestens 28 Euro kosten würde. Na, gut, ich hatte keine Ahnung, was Taxifahren hier so kostet. Ich war von der Sonne gebacken und ich bin nicht die Frau, der sich von nicht erscheinenden Bussen aufhalten lässt, wenn sie wo hin will. Dann ist das eben die Investition in mein erstes Networking Event in Roma.
Schliesslich waren wir dann doch recht schnell da und ich wunderte mich, dass auf dem Zähler nur 15 Euro angezeigt wurden. Ich fragte den Taxifahrer, ob das nicht der richtige Preis wäre, aber ich war verunsichert. Hektisch machte er den Zähler aus und forderte unwirsch seine 28 Euro. Ich war verwirrt. Es war heiss, Ich war spät dran. Ich hatte keine Ahnung. Ich wollte da raus. Also gab ich ihm 50 Euro. Und dann hatte er doch tatsächlich noch die Stirn, mir nur 10 Euro zurück zu geben. Ich erklärte ihm, dass ich ihm 50 gegeben hatte und das ja wohl nicht sein könne. Immerhin hatte ich mich nicht völlig übers Ohr hauen lassen. Trotzdem eine peinliche Geschichte für mich und ein sehr schlechtes Image für die römischen Taxifahrer.
Zwei Monate später war ich spät dran und stand gerade vor dem Ticketautomaten für den Zug zum Flughafen Fuimicino. Da wurde ich von einem Taxifahrer angesprochen, der mir anbot mich mal eben für 20 Euro statt der offiziellen 40 Euro an den Flughafen zu fahren. Der Zug kostet 14 Euro. Spontan war ich einverstanden und hatte aber die Befürchtung, einem weiteren Taxibetrug zum Opfer zu fallen.
Aber Domenico erwies sich als echter Glückgriff. Er hatte mich mitgenommen, weil er in Ostia wohnt und jetzt gerade nach Hause fahren wollte, um mit seinen zwei Jungs ans Meer zu gehen. Fuimicino lag da für ihn auf dem Weg.
Und so quälten wir uns erstmal durch die Hitze und den Verkehr der Innenstadt. Domenico fuhr rasant auf den Strassenbahnschienen lang, machte waghalsige Überholmanöver und gleichzeitig telefonierte er mit dem Flughafen, um festzustellen, ob der Flug meiner Mutter auch rechtzeitig ankäme.
Ich fragte ihn, ob es nicht eine harte Arbeit wäre, in Rom als Taxifahrer zu arbeiten. Und er meint, dass er immer versuchen würde, alles mit Leichtigkeit zu nehmen und aus allem das Beste zu machen. Darum hatte er mich auch am Automaten angesprochen.
Dann wollte ich noch wissen, wie er und seine Frau das mit den langen Sommerferien machen würden. Die Kinder sind zu Hause, man sieht sie nicht als Last und er wechselt sich mit der Arbeit mit seiner Frau ab. Mal arbeitet er am Vormittag und übernimmt am Nachmittag die Kinder, mal umgekehrt. Aha! Da war es wieder das Prinzip des Durchwurstelns.
Um eventuelle Staus zu umfahren, nahm Domenico eine abenteuerliche Abkürzung. Ein superschmales Strässlein, eher eine Piste, mitten durch eine dieser in Rom so verbreiteten brachliegenden, jungelartigen, verwahrlosten Grünflächen. Unter der Autobahnbrücke durch…Natürlich wies mich Domenico hier noch darauf hin, dass hier in der Nacht all die Liebespaare, die nicht wissen wohin, parken würden. „per fare l’amore“. Nicht sehr romantisch.
Dann sprachen wir über die verschiedenen Strandbäder in Ostia. Als er noch keine Kinder hatte, waren er und seine Frau immer am Nudistenstrand von Capo Cotta. Ohlàlà, wer hätte gedacht, dass es so was in Italien gibt!?
Heute mit den Kindern gehe er lieber ins Plinius. Das ist das einzige Strandbad, in dem man sein mitgebrachtes Picknick essen darf. Wichtige Information! Immerhin zahlt man ja schon 3 Euro Eintritt pro Person, 8 Euro für eine Liege und 10 Euro für den Sonnenschirm. Wir sind uns sofort einig, dass man dann lieber sein mitgebrachtes Panini isst.
Dann erzählt er mir noch, dass sogar einen Privatstrand für den italienischen Präsidenten in Ostia gibt. Ich bin platt. Man stelle sich vor, Frau Merkel hätte einen privaten, vom Steuerzahler finanzierten Strandabschnitt an der Ostsee! Eine deutsche Revolution bräche aus! Noch dazu ist der Presidente natürlich lieber an der Amalfiküste als in Ostia.
So war meine Fahrt mit Domenico voll interessanter Informationen und Einblicken in das italienische Leben. Nebenher hat er noch mein Italienisch freundlich korrigiert. Die 6 Euro, die ich mehr als für den Zug ausgegeben habe, hatten sich voll gelohnt. Und mein Vertrauen in römische Taxifahrer war auch wieder hergestellt. Danke Domenico! 
Ein paar Wochen später wollte ich eine Freundin besuchen. Leider war ich nach 21 Uhr unterwegs und ich hatte vergessen, dass die U-Bahn ab 21 Uhr durch Busse ersetzt wird, weil die U-Bahn repariert wird. Der Bus kam nicht, ich sprang in ein Taxi.
Der Taxifahrer war ein massiger Kerl mit Glatze, ca. 35. Er hörte Elvis. Hmm, dachte ich vermutlich ein Fan. Die CD war nicht irgendeine „best of“, die jeder hat. Also fragte ich den Taxifahrer, ob Elvis seine Passion wäre. Und bingo, er sprudelte los, dass er Davide ELVIS Guiseppe heisst. Guiseppe nach dem Grossvater, und Elvis natürlich nach dem King. Schon sein Vater war ein grosser Fan. Nach einem Konzert des Kings im Madison Square Garden hatte er Davide gezeugt.
Wow, ich bin mal wieder platt! Wie lustig! Dann wollte ich natürlich wissen, ob Davide auch Rock & Roll tanzt und Elvisklamotten trägt. Natürlich in Rom gibt es eine ganze Elvis Community. Es gibt Veranstaltungen, Gedenkfeiern zu Todestag usw. Davides Schwester hat ihm eine Elvisperücke gemacht und jedes Jahr fährt Davides zur grossen Elvis Convention nach Rimini.
Dort hat er dann auch seinen Halbbruder Roberto kennen gelernt, von dem er nichts gewusst hatte. Sein Vater hatte sich nämlich von seiner Mutter getrennt als er 5 Jahre alt war und mit einer anderen Frau Roberto bekommen. Roberto ist natürlich auch Elvisfan geworden. Der Vater hat sich später wieder von Robertos Mutter getrennt und ist zu Davides Mutter zurückgekehrt ohne die Existenz von Roberto zu erwähnen. Tja, und nach dem Rimini Treffen, kam Roberto seinen neuen Kumpel Davide besuchen und traf da zufällig auf seinen Vater. Ein besonderes italienisches Familiendrama. Da braucht man keine Seifenopern.
Ich freue mich schon auf meine nächste Taxifahrt in Rom.

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