Drama, Baby!!! Schulanfang auf Italienisch



Nach endlosen zweieinhalb Monaten Ferien war es soweit: Die Schule ging los.
Meine Kinder waren motiviert bis in die Kopflöcher. Um 7 Uhr hatten sie sich schon angezogen und scharrten mit den Hufen. Die Schule sollte um 8.30 anfangen. Zumindest für Emilio. An der Schule hatte man mir die Woche vorher gesagt, dass man noch nicht wüsste, ob die ersten Klassen auch um 8.30 oder erst um 9 Uhr anfangen würden. War uns egal, dann würden wir halt den Emilio in die Schule bringen und mit Franzi ggf. so lange noch einen Cappuccino trinken gehen.
Auch mein Bemühen herauszubekommen, was der Lehrplan der vierten und fünften Klasse ist, wurde als übereifrige Hektikmache behandelt. Ich sollte mich einfach entspannen, die Kinder in die Schule bringen und dann würde man schon sehen. OK?! Danke! Ich weiss schon, ich sollte meine „Control Issues“ in den Griff kriegen. Rom ist sicher der optimale Ort dazu. Andere gehen dafür nach Indien in den Ashram!
Dann gingen wir los. Meine Kinder, mein Mann, ich. Sogar meine Mutter, die gerade zu Besuch war, kam mit. 


Vor dem Eingangstor der Schule hatte sich bereits eine riesige Menschentraube gebildet.



Wir drängeln uns durch die Massen. Lasen im Vorbeigehen an der Eingangstür noch die Ankündigung, dass die Kinder der ersten Klassen sich erst um 9.30 Uhr im Schulinnenhof treffen würden.
Erfolgreich beim Portier angekommen, fragte ich ihn, wie wir herausbekommen, in welche Klasse Emilio geht und wo sich diese befindet. Der Mann verweigerte jede Aussage. Ich erklärte ihm, dass ich neu sei und wirklich keine Ahnung hätte. In der Zwischenzeit hatte mein heldenhafter Mann gesehen, dass an der Wand Aushänge mit Namenslisten der jeweiligen Klassen hingen. So erfuhren wir, dass Emilio in die 5c gehen würde.
Ich fragte wieder den Portier, wo den 5c sei. Er meinte, dass er mir das so einfach nicht sagen dürfe und ich das die Lehrer fragen müsse. OK, dann schauen wir halt mal in den ersten Stock und fragen einen Lehrer. Ausserdem war ich ja schon mal in der Schule gewesen und konnte mich erinnern, dass die Klasse immer an der Tür angeschlagen war. Im ersten Stock angelangt, frage ich also die erstbeste Lehrerin, die ich sehe. Sie verweigert mir die Aussage. Sie dürfe mir das nicht sagen, ich müsste mich ans Sekretariat wenden.
Aha, wir gehen also wieder ins Parterre und fragen im Sekretariat. Dort erfahre ich, dass die 5c im zweiten Stock ganz hinten wäre. Also begeben wir uns jetzt in den 2. Stock. Dort angelangt finden wir allerdings keine 5c. Es steht nirgends auf der Türe und ausser anderen aufgeschreckten Eltern finden wir keine Ansprechperson. Während dieser ganzen Odyssee herrschen natürlich ein Riesenlärm und ein gewaltiges Gewusel. 

Ich bin beeindruckt wie es die Italiener schaffen aus dem in anderen Länder völlig banalen Vorgang „In welche Klasse geht mein Kind und wo im Gebäude befindet sie sich“ ein aufregendes Ereignis machen.
Wir versuchen uns noch mal im ersten Stock, was natürlich Quatsch war. Gehen dann wieder in den zweiten Stock. Dort finde ich endlich eine mitleidige Mutter, die mir mit einem aufmunternden „corragio!“ beschwichtigende die Hand auf die Schulter legt.
Schliesslich findet sie für mich eine der zuständigen Gangaufseherinnen, die uns dann doch in das richtige Zimmer führt. Eigentlich waren wir daran auch schon vorbeigelaufen gewesen. Es war das einzige Klassenzimmer ohne Aufschrift an der Tür.
Dort wurde dann Emilio endlich von seinem Lehrer Maestro Pietro in Empfang genommen. Juhu, ein Mann. Das gibt es ja sehr selten in Grundschulen. Das wird Emilio gefallen. Maestro Pietro ist gerade mal einen Kopf grösser als Emilio und wirkt sehr herzlich. Er legte gleich den Arm um ihn und tätschelte ihm den Kopf. Wir sind entzückt.
  
Jetzt erst erfahren wir, dass die Schule heute am ersten Tag gleich bis 16 Uhr geht. Ganz schön sportlich nach fast drei Monaten Ferien! Wie gut, dass die Kinder schon in den Feriencamps waren und wir wissen, dass sie sieben Stunden in einem rein italienischen Umfeld schaffen ohne in Tränen auszubrechen.

Nach so viel Aufregung brauchen wir jetzt wirklich einen Cappuccino.
Gestärkt kommen wir also um 9.30 Uhr in den Schulhof zurück und warten dort erstmal mit all den anderen Eltern, Grosseltern und Kindern auf den Schulbeginn für Francesco.




45 Minuten später geht es tatsächlich los. Eine Lehrerin betritt den Hof mit einer Liste. Sie stellt sich in die Mitte und alle drängen um sie. Sie sagt ein paar Wort über den Ablauf. Ein Mann erscheint mit einem grossen Strauss Luftballons. Aha, die wollen also Luftballons fliegen lassen. Dann werden die Namen der Kinder der Reihe nach aufgerufen, jedes bekommt einen Ballon und wird einer Lehrerin zugewiesen. Es gibt erste Tränen, weil natürlich einige Kinder, auch Francesco, den Ballon zu früh loslassen.


Und schliesslich sind dann doch alle Kinder in Klassen gruppiert und gehen in ihre Klassenräume. Wir gehen erschöpft nach Hause und sind froh, dass wir bis 16 Uhr Zeit haben, um uns von diesem Drama zu erholen.
Um 16 Uhr geht das Drama gleich weiter. Auch das Abholritual ist eindrucksvoll. Wieder sammelt sich vor dem Eingang eine Traube aus Müttern, Vätern, Omas und Opas. Je eine Klasse erscheint mit ihrer Lehrerin auf der Treppe im Eingangsbereicht. Dann müssen die jeweiligen Abholberechtigten durch frenetisches Winken die Aufmerksamkeit von Kind und Lehrerin auf sich ziehen. Dann lässt die Lehrerin das Kind gehen, dass sich tapfer eine Weg durch die Menge bahnt, um von den Eltern in Empfang genommen zu werden. Was für ein Spektakel!!


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